Was ist das Problem mit „fiktiven Strommengen“ bei der Abwicklung von § 6 EEG-Vereinbarungen?

geschrieben von
Matthias Karger
und

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Erste Veröffentlichung am
25.10.23
aktualisiert am
22.4.24
Eine grüne Wiese, dahinter ein Dorf und dahinter viele Windräder.
© Knaupe – Getty Images
Inhalt

Der § 6 EEG erlaubt Betreibern von Windkraftanlagen, Kommunen nicht nur an den Erlösen für tatsächlich eingespeiste Strommengen finanziell zu beteiligen, sondern auch an Erlösen für „fiktive Strommengen“. Für PV-Freiflächenanlagen besteht dieser Zusatz nicht, hier geht es nur um tatsächlich eingespeiste Strommengen.

Warum Windkraft- und PV-Anlagen hier unterschiedlich behandelt werden, ist nicht direkt ersichtlich. Vermutlich haben einfach die nördlichen, windkraftstarken Bundesländer beim Gesetzgebungsverfahren schon mehr Bewusstsein dafür gehabt, dass Windkraftanlagen immer öfter wegen Netzengpässen abgeregelt werden müssen (im sogenannten Redispatch 2.0, früher Einspeisemanagement) und wollten nicht, dass deshalb die Kommunen benachteiligt werden.

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Was sind „fiktive Strommengen“?

Ganz konkret unterscheidet die Anlage 2 des EEG unter Nummer 7.2 drei Arten von fiktiven Strommengen:

  1. Strommengen, die auf eine technische Nichtverfügbarkeit von mehr als 2 Prozent des Bruttostromertrags zurückgehen.
  2. Strommengen, die wegen Abregelungen durch den Netzbetreiber nach § 13a Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes oder nach § 14 Absatz 1 in Verbindung mit § 13a Absatz 1 des Energiewirtschaftsgesetzes nicht erzeugt wurden (das sind die oben genannten Redispatch 2.0-Mengen).
  3. Strommengen, die wegen sonstigen Abschaltungen oder Drosselungen, zum Beispiel der optimierten Vermarktung des Stroms, der Eigenversorgung oder der Stromlieferungen unmittelbar an Dritte, nicht eingespeist wurden.

Alle Arten von fiktiven Strommengen haben zwei Dinge gemein: Erstens sind sie nur sehr aufwändig und mit großer Unsicherheit zu ermitteln. Und zweitens spielen sie in den allermeisten Fällen im Vergleich zur tatsächlich eingespeisten Strommenge nur eine geringe Rolle – in der Regel betragen die fiktiven Strommengen aktuell nicht mehr als 5 % der tatsächlich eingespeisten Strommenge.

Die Berechnung „fiktiver Strommengen“ in der Praxis

Für die Ermittlung der Gutschriftbeträge bedeutet dies, dass Anlagenbetreiber sehr viel Zeit und Mühe investieren müssen, um fiktive Strommengen zu ermitteln (sofern es überhaupt gelingt), nur um am Ende einen relativ geringen Betrag zusätzlich an die Kommune auszuzahlen.

Noch problematischer wird es bei der Berechnung der Erstattungsansprüche gegenüber den Netzbetreibern. Diese werden sehr genau hinsehen und entsprechende Nachweise fordern, wenn Anlagenbetreiber die Ihnen gemäß § 6 EEG zustehenden Erstattungsbeträge – auch für bestimmte fiktive Strommengen – abrechnen wollen. Hier besteht eine große Gefahr, dass Netzbetreiber und Anlagenbetreiber unterschiedliche Daten nutzen und der Anlagenbetreiber auf seinen Kosten „sitzen bleibt“.

Die Probleme mit Redispatch 2.0 und ihre Auswirkungen

Wie es zu dem großen Aufwand, der Unsicherheit und den Abweichungen kommen kann, lässt sich beispielhaft anhand von Redispatch 2.0-Strommengen erläutern. Viele betroffene Anlagenbetreiber wissen, wie kompliziert und langwierig es ist, von Netzbetreibern oder Direktvermarktern belastbare Aussagen oder Zahlungen für die im Rahmen von Redispatch 2.0 abgeregelte Strommengen (sog. Ausfallarbeit) zu bekommen.

So hat die Bundesnetzagentur Ende 2022 in einer offiziellen Mitteilung darauf hingewiesen, dass die vom Gesetzgeber vorgesehenen Marktprozesse für Redispatch 2.0 auch Jahre nach ihrer Einführung in der Praxis noch nicht umgesetzt sind. Im Sommer 2023 kam dann die Nachricht der Übertragungsnetzbetreiber, dass wesentliche Prozesse des Redispatch 2.0 gescheitert sind und eingestellt wurden.

Nach wie vor ist die Datentransparenz und -konsistenz in der Kommunikationskette, vom Netzbetreiber über den Direktvermarkter bis hin zum Anlagenbetreiber, mangelhaft bis ungenügend. Und dabei ist zu bedenken, dass die Ausfallarbeit in der Regel nicht anlagenscharf, sondern lediglich auf Bilanzkreis- oder Zählpunktebene für mehrere Anlagen gleichzeitig vom Netzbetreiber oder Direktvermarkter mitgeteilt wird. Da die Abwicklung des § 6 EEG jedoch auf Anlagenebene erfolgt, lauert hier ein weiterer Fallstrick.

Wenn man nun den Blick auf die beiden anderen Arten von fiktiven Strommengen lenkt, ist die Lage leider nicht viel besser. Im Gegenteil: während man bei Redispatch 2.0 zumindest auf theoretisch geltende Prozesse verweisen kann, sind „technische Nichtverfügbarkeit“ und „Abschaltungen durch den Direktvermarkter“ nicht allgemeingültig definiert. Dies macht sowohl eine rechtssichere Berücksichtigung in den Gutschriften an die Kommunen als auch im Erstattungsprozess gegenüber den Netzbetreibern beinahe unmöglich.

Fiktive Strommengen vertraglich regeln

Die von node.energy erkannten Herausforderungen sind auch der "Fachagentur Windenergie an Land" mitgeteilt worden, die unter anderem bereits einen § 6 EEG-Mustervertrag herausgegeben hat. Dort wurde die Problematik verstanden und es wird aktuell eine Ergänzung des Hinweisschreibens für den Mustervertrag zum Umgang mit fiktiven Strommengen geprüft.    

In der Zwischenzeit wollen wir zwei klare Empfehlung an alle Anlagenbetreiber aussprechen:

  • Wenn Sie einen § 6 EEG-Vertrag mit einer Kommune abschließen, klammern Sie bitte vorläufig die Berücksichtigung von fiktiven Strommengen aus!
  • Sollten Sie bereits einen Vertrag abgeschlossen haben, in dem die Berücksichtigung von fiktiven Strommengen vereinbart ist, gehen Sie auf die Kommune zu und schließen Sie eine (temporäre) Zusatzvereinbarung ab, welche fiktive Strommengen ausklammert.

Angesichts der aktuell meist relativ geringen fiktiven Strommengen im Vergleich zu den tatsächlich eingespeisten Strommengen, hält sich der finanzielle Minderertrag für Gemeinden und Kommunen in engen Grenzen (i. d. R. 0 %-5 %).

Es ist aber absehbar, dass mit einem weiterhin stockenden Netzausbau der Anteil fiktiver Strommengen in Zukunft steigen wird. Aus diesem Grund sollte die Berücksichtigung von fiktiven Strommengen zunächst einmal nur für 2–3 Jahre, aber nicht dauerhaft ausgeschlossen werden.

In diesem Zeitraum sollte es das Ziel aller beteiligten Akteure sein, eine einheitliche und praktikable Methode zur Ermittlung von fiktiven Strommengen zu entwickeln. Denn § 6 EEG sorgt nur dann für eine breite Akzeptanz von Wind- und Solaranlagen bei Bürgern und Kommunen, wenn die finanzielle Beteiligung von den handelnden Anlagenbetreibern auch effizient umgesetzt werden kann.

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Matthias Karger
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