Die Energiewirtschaft hat ihren eigenen Teil an unsinnigen und unpraktikablen Gesetzen. Die Kundenanlagen, wie sie im Energiewirtschaftsgesetz definiert ist, war dabei eine der positiven Ausnahmen, die die Umsetzung von Onsite-PPAs und Mieterstromprojekten begünstigt hat. Das hat sich nun leider geändert.
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Der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat im November entschieden, dass die bisherige Definition der Kundenanlage nicht mit EU-Recht vereinbar ist, der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Ansicht bestätigt. In diesem Artikel stellen wir vor, wie es zu dieser Entscheidung kam, was das für Mieterstromprojekte und Onsite-PPAs bedeutet und wie Anlagenbetreiber nun vorgehen können.
Hintergrund des Rechtsstreits
Die Geschichte hat ihren Ursprung in einem juristischen Disput zwischen dem Energieversorgungsunternehmen ENGIE Deutschland und der Zwickauer Energie GmbH. Der Grund dafür war der Anschluss von zwei Wohngebieten mit 96 bzw. 160 Wohnungen an das lokale Verteilernetz , jeweils ausgestattet mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen).
Diese Quartiere wurden als Kundenanlagen klassifiziert und konnten daher den Solarstromanteil netzentgeltfrei beziehen. Der Netzbetreiber fand nicht, dass eine Anlage dieser Größe noch als Kundenanlage zu bewerten ist, sondern als Verteilernetz. Der Bundesgerichtshof, der in letzter Instanz für eine Entscheidung zuständig war, gab den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter.
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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs
Am 28. November 2024 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelte Unterscheidung zwischen Energieversorgungsnetzen und Kundenanlagen nicht mit EU-Recht vereinbar ist.
Ganz im Gegenteil: die in § 3 Nr. 24a EnWG festgelegte Definition der Kundenanlage führt dazu, dass in Deutschland viele „Kundenanlagen“ im Sinne des europäischen Rechts eigentlich „Verteilernetze“ sind. Die Kundenanlage, wie sie im Moment besteht, muss angepasst oder ganz gestrichen werden.
Einfluss auf Mieterstromprojekte
Die juristische Neubewertung löst eine Kaskade von Pflichten aus: Fast jeder Betreiber, der Strom an einen anderen Rechtsträger (z. B. Mieter, benachbarte Gewerbe) verkauft, wird automatisch zum Betreiber eines Elektrizitätsverteilernetzes (VNB), sodass für den Betreiber eine Reihe an regulatorischen Pflichten entstehen, Netzentgeltprivilegien entfallen und administrative Bürden entstehen.
Mieterstromprojekte, die unter der gegenwärtigen Definition von Kundenanlagen umgesetzt wurden, befinden sich somit in einem rechtlichen Schwebezustand. Denn noch ist nicht geklärt, wann genau diese Änderungen für Mieterstromanbieter in Kraft treten oder wann sie gefordert sind, die damit verbundenen Pflichten zu übernehmen. Auch ist noch nicht geklärt ob und wann der Gesetzgeber neue verständliche Regeln dazu aufstellt.
Empfehlungen für Onsite-PPAs und Mieterstromprojekte
Aufgrund der herrschenden Unsicherheit im Markt möchten wir hier einige Empfehlungen aussprechen. Diese beruhen auf unserer Einschätzung der politischen Lage und ersetzen keine Rechtsempfehlung. In allen Fällen gilt: Betreiber können mit ihrer Anlage notfalls in die Volleinspeisung wechseln, sofern eine direkte Belieferung der Gebäudenutzer zeitweise nicht möglich bzw. lukrativ sein sollte.
Bestehende Projekte: Wie vertraglich vereinbart weiterführen. Wir gehen davon aus, dass der Gesetzgeber Übergangsregelungen erlassen wird, sodass der wirtschaftliche Betrieb bestehender Onsite-PPA oder Mieterstromprojekte voraussichtlich auch zukünftig möglich sein wird, wenn auch in einer anderen Form als bisher. Dennoch sollten auch Betreiber von Bestandsprojekten die weitere Entwicklung im Blick behalten.
Fortgeschrittene Projekte: Hier ist es besonders schwierig, eine Empfehlung zu geben. Anlagenbetreiber, die mit ihrem Mieterstromprojekt weiter machen möchten, könnten zum Beispiel bei der Anmeldung des Messkonzepts oder kritischen Nachfragen des Netzbetreibers darauf hinweisen, dass das aktuelle EuGH/BGH-Urteil bekannt ist und erforderliche Anpassungen am Mess- und Betriebskonzept vorgenommen werden, sobald die Rechtslage geklärt ist. Onsite-PPA-Projekte können auch zukünftig rechtskonform gestaltet werden, sofern ein Erzeuger mit einem Abnehmer dierkt verbunden wird.
Frühphasige Projekte: Bei Projekten, die sich noch in der Planung befinden, sollte eine Analyse alternativer Geschäftsmodelle erstellt werden. Sofern die Volleinspeisung als Rückfalloption eine ausreichende Projektrendite ermöglichen würde, kann das Projekt fortgesetzt werden. Auch eine Verpachtung der Anlage an die Gebäudenutzer kann ggf. eine Ausweichmöglichkeit darstellen, falls der Gesetzgeber wider Erwarten keine adäquaten Alternativen zur heutigen Kundenanlage einführen sollte.
Insgesamt gehen wir davon aus, dass Onsite-PPA-Projekte auch nach der notwendigen Anpassung des Rechtsrahmens umgesetzt werden können und ein wirtschaftlicher Bestandteil der Energiewende in Deutschland bleiben.
Bleiben Sie auf dem Laufenden. Wir werden Sie über alle Neuigkeiten zum EuGH-Urteil und seinen Auswirkungen in diesem Artikel informieren.