EuGH- und BGH-Urteil: Was Mieterstromanbieter jetzt wissen müssen

geschrieben von
Paulina Würth
und

Egal was kommt, wir unterstützen Sie bei Ihren Mieterstromprojekten!

Erste Veröffentlichung am
7.3.25
aktualisiert am
22.12.25
Auf dem Foto ist ein Gewerbedach zu sehen, auf dem Solaranlagen liegen. Im Hintergrund ist eine Fabrik und grüne Hügel zu sehen.
© Green Oak’s Images; node.energy
Inhalt

Die Energiewirtschaft hat ihren eigenen Teil an unsinnigen und unpraktikablen Gesetzen. Die Kundenanlagen, wie sie im Energiewirtschaftsgesetz definiert ist, war dabei eine der positiven Ausnahmen, die die Umsetzung von Onsite-PPAs und Mieterstromprojekten begünstigt hat. Das hat sich nun leider geändert.

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Der Europäischen Gerichtshofs (EuGH) hat im November entschieden, dass die bisherige Definition der Kundenanlage nicht mit EU-Recht vereinbar ist, der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Ansicht bestätigt. In diesem Artikel stellen wir vor, wie es zu dieser Entscheidung kam, was das für Mieterstromprojekte und Onsite-PPAs bedeutet und wie Anlagenbetreiber nun vorgehen können.

Hintergrund des Rechtsstreits

Die Geschichte hat ihren Ursprung in einem juristischen Disput zwischen dem Energieversorgungsunternehmen ENGIE Deutschland und der Zwickauer Energie GmbH. Der Grund dafür war der Anschluss von zwei Wohngebieten mit 96 bzw. 160 Wohnungen an das lokale Verteilernetz , jeweils ausgestattet mit Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen (KWK-Anlagen).

Diese Quartiere  wurden als Kundenanlagen klassifiziert und konnten daher den Solarstromanteil netzentgeltfrei beziehen. Der Netzbetreiber fand nicht, dass eine Anlage dieser Größe noch als Kundenanlage zu bewerten ist, sondern als Verteilernetz. Der Bundesgerichtshof, der in letzter Instanz für eine Entscheidung zuständig war, gab den Fall an den Europäischen Gerichtshof weiter.

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Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs

Am 28. November 2024 entschied der Europäische Gerichtshof, dass die im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) geregelte Unterscheidung zwischen Energieversorgungsnetzen und Kundenanlagen nicht mit EU-Recht vereinbar ist.

Ganz im Gegenteil: die in § 3 Nr. 24a EnWG festgelegte Definition der Kundenanlage führt dazu, dass in Deutschland viele „Kundenanlagen“ im Sinne des europäischen Rechts eigentlich „Verteilernetze“ sind. Die Kundenanlage, wie sie im Moment besteht, muss angepasst oder ganz gestrichen werden.

Entscheidung des Bundesgerichtshofes

Der Bundegerichtshof hat die funktionelle Auslegung des Verteilungsbegriffes des EuGH bestätigt, sodass Kundenanlage nach § 3 Nr. 24a EnWG nur rechtskonform sein kann, was nicht auch der europäischen Definition des Verteilnetzes entspricht.

Dieser Auslegung folgend ist fast jeder Betreiber, der Strom an einen Endkunden verkauft, Betreiber eines Verteilernetzes (VNB). Das Mieterstrommodell nach § 42a EnWG, das explizit für die Lieferung innerhalb einer Kundenanlage geschaffen wurde, verliert damit seine rechtliche Grundlage und auch die Anwendungsfelder der gemeinschaftlichen Gebäudeversorgung nach § 42b EnWG reduzieren sich erheblich.

Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes

Bundestag und Bundesrat haben sich auf eine Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes geeinigt, die unter anderem auch eine Übergangsregelung für Kundenanlagen beinhaltet. Für die nächsten drei Jahre, ab dem 01.01.2026, gilt für bestehende Projekte mit Kundenanlage ein Bestandsschutz. Auch neue Projekte in bestehenden Kundenanlagen sind dadurch geschützt. Betreiber mit bestehenden Kundenanlagen müssen innerhalb der Karenzzeit keine Pflichten eines Verteilnetzbetreibers übernehmen.

Innerhalb der Übergangsfrist will der Gesetzgeber eine EU-rechtskonforme Neuregelung zur Kundenanlage verabschieden.

Einfluss auf Mieterstromprojekte

Bestehende Projekte – Bestandsschutz

Für bestehende Kundenanlagen wurde eine Bestandsschutzregelung bis Ende 2029 eingeführt. Das bedeutet: Mieterstrom- und Onsite-PPA-Projekte können im bisherigen Modus weiterbetrieben werden. PV-Strom darf netzentgeltfrei geliefert werden und die Betreiber müssen keine Pflichten eines Verteilnetzbetreibers übernehmen. Der Gesetzgeber hat angekündigt die Übergangszeit zu nutzen, um eine EU-rechtskonforme Neuregelung zur bisherigen Kundenanlage zu verabschieden. Für Betreiber bestehender Anlagen schafft die Übergangsregelung damit wirtschaftliche und regulatorische Planungssicherheit.

Neue Projekte – sicherer Anwendungsbereich innerhalb einzelner Gebäude

Für Neuanlagen gibt die Begründung zur Gesetzesnovelle ein klares Signal: Typische Mieterstrom- und Onsite-PPA-Konstellationen innerhalb eines einzelnen Gebäudes können weiterhin als Kundenanlagen eingestuft werden. Hintergrund ist, dass die hausinterne Verteilung (Hausinstallation) innerhalb eines Gebäudes nicht als Verteilnetz gilt und damit kein Netz im energierechtlichen Sinne darstellt. Auf dieser Grundlage können Mieterstrom- und Onsite-PPA-Projekte innerhalb eines Gebäudes auch künftig geplant und umgesetzt werden.

Gebäudeübergreifende Projekte - verbleibende rechtliche Risiken

Bei gebäudeübergreifenden Projekten bestehen demgegenüber weiterhin rechtliche Unsicherheiten. Zur Risikobegrenzung empfehlen sich gebäudescharfe (gegebenenfalls virtuelle) Summenzähler, um die direkte Lieferung von PV-Strom ggf. auf einzelne Gebäude begrenzen zu können. Weiterhin kann ein Wechsel in die Volleinspeisung als Rückfalloption dienen, um auch im Worst Case rechtssicher reagieren zu können.

Empfehlungen für Onsite-PPAs und Mieterstromprojekte

Aufgrund der herrschenden Unsicherheit im Markt möchten wir hier einige Empfehlungen aussprechen. Diese beruhen auf unserer Einschätzung der politischen Lage und ersetzen keine Rechtsempfehlung. In allen Fällen gilt: Betreiber können mit ihrer Anlage notfalls in die Volleinspeisung wechseln, sofern eine direkte Belieferung der Gebäudenutzer zeitweise nicht möglich bzw. lukrativ sein sollte.

Bestehende Projekte: Wie vertraglich vereinbart weiterführen, vor allem, wenn es sich um Stromlieferungen im selben Gebäude handelt. Der wirtschaftliche Betrieb bestehender Onsite-PPA oder Mieterstromprojekte ist für die nächsten drei Jahre gesichert und wird höchstwahrscheinlich auch zukünftig möglich sein,. Betreiber von Bestandsprojekten mit standortübergreifenden Lieferungen sollten aber die weitere Entwicklung im Blick behalten.

Fortgeschrittene Projekte: Für Mieterstromprojekte in einem Gebäude gilt: auf jeden Fall weitermachen. Anlagenbetreiber, die mit ihrem standortübergreifenden Mieterstromprojekt weiter machen möchten, können zum Beispiel bei der Anmeldung des Messkonzepts oder kritischen Nachfragen des Netzbetreibers darauf hinweisen, dass das aktuelle EuGH/BGH-Urteil sowie die Übergangslösung nach dem EnWG bekannt ist und erforderliche Anpassungen am Mess- und Betriebskonzept vorgenommen werden, sobald die Rechtslage final geklärt ist.

Frühphasige Projekte: Auch hier gilt für Mieterstromprojekte, in denen Anlage und Verbraucher sich im bzw. auf demselben Gebäude befinden: eine Umsetzung ist nach jetzigem Stand problemlos möglich. Bei standortübergreifenden Projekten, die sich noch in der Planung befinden, sollte eine Analyse alternativer Geschäftsmodelle erstellt werden. Sofern die Volleinspeisung als Rückfalloption eine ausreichende Projektrendite ermöglichen würde, kann das Projekt fortgesetzt werden. Auch eine Verpachtung der Anlage an die Gebäudenutzer kann ggf. eine Ausweichmöglichkeit darstellen, falls der Gesetzgeber wider Erwarten keine adäquaten Alternativen zur heutigen Kundenanlage einführen sollte.

Bleiben Sie auf dem Laufenden. Wir werden Sie über alle Neuigkeiten zum EuGH-Urteil und seinen Auswirkungen in diesem Artikel informieren.

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